Das aktuelle Editionsprojekt: Verlagsbriefwechsel

Teilbriefwechsel und Umfang
Literar- und kulturhistorische Bedeutung des Briefwechsels
Editorische Wiedergabeprinzipien
XML-Auszeichnung

Teilbriefwechsel und Umfang

Das aktuelle Forschungsvorhaben plant die Edition der Korrespondenz zwischen C. F. Meyer und seinem Leipziger Verleger Hermann Haessel als eine moderne Personalbriefwechsel-Ausgabe. Sie besteht aus insgesamt fünf Einzelbriefwechseln: dem Briefwechsel zwischen Meyer und Haessel, zwischen Meyer und seinem zeitweiligen Sekretär Fritz Meyer sowie aus den Briefwechseln des Verlegers mit Personen, die als Stellvertreter, Beauftragte und Helfer des Autors fungierten wie Meyers Frau, sein Sekretär und insbesondere seine Schwester Betsy Meyer. Letzterer kommt nicht nur als Beraterin und Vermittlerin, sondern auch als Mitautorin von Werken Meyers eine herausragende Rolle zu. Vom Gesamtbestand – mehr als 2400 handschriftliche Dokumente – sind bisher nur 272 Briefe Meyers und einige Briefe aus der Korrespondenz zwischen Betsy Meyer und Haessel (zum Teil fragmentarisch) veröffentlicht. Das Material soll in acht Text- und Kommentar-Bänden publiziert werden.

Literar- und kulturhistorische Bedeutung des Briefwechsels

Haessel war der eigentliche Entdecker und verlegerische Wegbereiter des Dichters. Die Bedeutung dieser Korrespondenz besteht einmal darin, dass sie die Entstehung und Publikation aller Werke Meyers seit etwa 1865 dokumentiert, also noch vor seinem Durchbruch in der Öffentlichkeit mit dem Hutten 1871, bis in die Zeit seiner krankheitsbedingten Urteilsunfähigkeit. Das in der Forschung bislang vorherrschende Bild des Verhältnisses zwischen Meyer und seinem Verleger, das auf der Kenntnis nur eines kleinen Teils des Briefwechsels basiert, wird insbesondere durch die Korrespondenz der Schwester mit Haessel in wesentlichen Aspekten korrigiert. Der Briefwechsel enthält darüber hinaus eine Fülle von Material zur Verlagsgeschichte und zur zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturszene. Die Dokumentation der Beziehung Meyers mit seinem Verleger kann somit einen exemplarischen Beitrag zur Geschichte der literarischen Kommunikation in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts leisten – vgl. Haessel selbst in einem Brief an Meyers Schwester: «das entstandene Verhältniß ist einzig. [...] Diese Sammlung kann einmal Zeugniß geben von dem wirklich bestehenden Verhältniß eines Dichters zu seinem Verleger u. des Letzteren zur Literatur überhaupt.»

Editorische Wiedergabeprinzipien

Die Edition folgt dem Prinzip einer textgenetischen und ›integralen‹ Darstellung, die die Briefe sowohl in ihrer Textualität als auch Materialität wiedergeben will. Hierfür wird ein ›mittlerer‹ Weg beschritten: Es soll weder ein bereinigter (emendierter und/oder normalisierter bzw. modernisierter) Text wie in herkömmlichen Briefausgaben noch eine Faksimile- bzw. eine diplomatische Edition geboten werden, sondern eine leicht lesbare dokumentarische Darstellung der originalen Handschriften und der individuellen Schreibprozesse. Die Wiedergabe erfolgt zeichengetreu und versucht darüber hinaus, die spezifische Pragmatik der privaten Briefkommunikation zu berücksichtigen, in der materielle Parameter, d.h. non- bzw. paraverbale Elemente – die äußere Beschaffenheit des Schriftträgers ebenso wie die topographische Position von Text(teilen) sowie sämtliche Verschreibungen, Streichungen, Ersetzungen, Einfügungen etc. – zu zentralen Bedeutungsträgern werden können. Ein wesentlicher Teil dieser Information, die üblicherweise nur im Apparat umständlich mitgeteilt wird und das Verständnis des Schreibprozesses durch die Herauslösung aus dem Kontext eher erschwert, wird mittels geeigneter diakritischer Zeichen in den edierten Brieftext integriert. Siehe hierzu im einzelnen die (ab Bd. MBW 3 gültigen) Editorischen Richtlinien sowie eine kleine Auswahl von Editionsproben.

XML-Auszeichnung

Sämtliche Daten werden mithilfe von XML (Extensible Markup Language) ausgezeichnet. XML ist eine anwendungsneutrale Metasprache zur Beschreibung und Strukturierung von Dokumenten, die als internationaler Standard (W3C) definiert ist und für Editionen zunehmend eingesetzt wird. Die Auszeichnung der Daten mit XML bietet u.a. folgende Vorteile:

  • eine optimale Operationalisierbarkeit der Daten durch die konsequente Trennung von ›Inhalt‹ und ›Layout‹: das betrifft u.a. die Automatisierbarkeit von Arbeitsabläufen sowie die Recherchierbarkeit einzelner Textelemente
  • die medienneutrale Aufbereitung und Weiterverarbeitung der Daten für den Druck oder für eine digitale Edition
  • eine langfristige Datenkonservierung durch die plattform-neutrale und somit software- und hardwareunabhängige Erfassung und Bearbeitung.

Die Daten werden von uns mittels eines projektspezifischen, den Richtlinien der Text Encoding Initiative entsprechenden W3C Schemas ausgezeichnet, d.h. eines Strukturmodells des Brieftextes, das sämtliche – vom Corpus der empirischen individuellen Briefe abstrahierten – relevanten Kategorien des Textes enthält und diese in ihrer hierarchisch-logischen Ordnung abbildet (verantwortlich: Matthias Osthof, Zürich). Sie werden anschließend mit TUSTEP gesetzt (Satz pagina GmbH, Tübingen). Die besondere Herausforderung im Hinblick auf unsere historisch-kritische Briefausgabe besteht in der adäquaten Auszeichnung nicht nur der textuellen, sondern auch der materiellen Parameter (wie u.a. die topographische Position herausgehobener Briefelemente bzw. -segmente, etwa der Grußformel), die als ›inhaltliche‹ Kategorien definiert werden müssen.